DJ Hektik
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Resident - Feature + Interview: Tilt-Recordings
In der 5. Print-Ausgabe der Resident findet sich ein Artikel über Tilt-Recordings, und auf der Resident-Homepage gibt es ein etwas genaueres Interview mit den Labelmachern über den Hintergrund des Labels, zu Themen wie der Bedeutung der GEMA für Drum & Bass oder politischen Aspekten der Drum & Bass Szene.
Lobend hervorzuheben ist vor allem, dass es sich bei dem Feature nicht um eine Gegenleistung für eine Anzeige handelt, sondern um tatsächlichen Musikjournalismus. Danke & Respekt an die Resident!
Interview (siehe auch ):
Wer steckt hinter Tilt-Recordings? Wie lange gibt es das Label schon?
Die Idee zu einem eigenen Label entstand im Sommer 2002 durch den Input von Bad Boy Kaiza, an der Umsetzung arbeitet seit 2003 in erster Linie DJ Hektik, in Absprache mit Bad Boy Kaiza und Budoka. 2004 wurde das Label mit dem ersten Vinylrelease "offiziell".
Warum habt ihr ein eigenes Label eröffnet, welche Motivation steht hinter Tilt-Recordings?
Das Label ist ein Instrument zur Umsetzung unserer Vorstellungen auf einem weiteren Gebiet neben Mixing, Produktion, Radio und sonstigem Leben, sprich: Wir haben bestimmte Ideen, wie ein Label strukturiert sein sollte, hinsichtlich solcher Dinge wie Design, Veröffentlichungs- und Informationspolitik. All das selbst zu entscheiden und umzusetzen ist eine sowohl organisatorisch als auch kreativ reizvolle Herausforderung.
Mit wem arbeitet Tilt-Recordings zusammen, in welcher Form?
Wir machen alles komplett selbst, ausser dem Vertrieb (der läuft inzwischen über ST Holdings LTD). Bisher haben wir nur eigenes Material released, also Tunes von Budoka und amex/Kaiza. Im Laufe der Zeit wird es auch andere Artists auf Tilt-Recordings geben, zum Beispiel demnächst Pyro/Jesta (TILT005). Mit weiterem Namedropping würden wir uns aber gern erst mal zurückhalten...
Welchen Sound präsentiert das Label, was ist der Tilt-Recordings-Sound?
Tilt = (Dancefloor * Kopf) * (Dancefloor * Kopf)
In Schubladen gesprochen bewegt sich das Label gemäß unserer Definition zwischen Techno-DNB und Neurofunk.
Könnt ihr euch vorstellen, auch Liquid-Tunes zu releasen?
Auf jeden Fall, aber nicht auf Tilt-Recordings in der Form. Das Label hat seinen ganz bestimmten musikalischen Fokus, und für einen derart anderen Stil würden wir ein weiteres Label, mindestens aber ein Sublabel gründen wollen.
Wie wichtig ist "musikalische Konsistenz/Konstanz" für Tilt-Recordings?
Sehr wichtig. Wir sind z.B. bestrebt, Tunes so zu veröffentlichen, dass ein Release jeweils "stärker" ist als der vorhergehende (aufsteigend). Eine weitere Form der Theorie-orientierten Herangehensweise findet sich in der Tune-Auswahl für die einzelnen Releases:
Auf der Logoseite (B) ein Midrange-lastiger, funktionaler Tune (Stichwort Neurofunk),
auf der Infoseite (A) ein eher trockener, perkussiver Tune (Stichwort Techno-DNB).
Und es wird nie einen Release von z.B. Dillinja oder Technical Itch auf Tilt-Recordings geben, gleichwohl wir einen Heidenrespekt für diese beiden Typen haben. Darüber hinaus ist Musiktheorie/Praxis eine sehr persönliche, auch bei uns subjektiv unterschiedliche Angelegenheit.
Ihr betreibt ja auch noch das Netlabel T-FREE. Warum die Trennung Viny- und Internetlabel?
Einerseits aus einem organisatorischen Grund: T-FREE ist ein reines Projekt der Trio-Music Crew, nur nach aussen hin das Geschwisterlabel von Tilt-Recordings zwecks synergetischer Bündelung der Kräfte. Andererseits können wir mit dem Medium mp3 im Gegensatz zu den sehr unflexiblen Medien Vinyl und CD sowohl hinsichtlich der Kosten als auch der Musikauswahl viel ungebundener agieren: Es erlaubt kürzere Intervalle und auch das Veröffentlichen von Tunes, die wir nicht unbedingt auf Vinyl pressen lassen würden, um die es aber dennoch schade wäre.
Ist dies der Grund, weshalb ihr euer Netlabel ins Leben gerufen habt? Bzw. wie kam es dazu?
T-FREE hat sich aus einem kleinen Drama wie Phönix aus der Asche entwickelt: Jemand hatte eine Kollabo von amex und Sniper namens "Electrohorse" ohne Rücksprache als 320 kbps mp3 in ein Internetforum gestellt, was wir zunächst als sehr hässlich empfanden - der Tune wäre nämlich ein Kandidat für Vinyl gewesen... Aber aufgrund des positiven Feedbacks wurde uns klar, dass wir unsere ansonsten auf der Festplatte verschimmelnden unveröffentlichten Tunes auch über freie Downloads einem sinnvollen Nutzen zuführen können. Netlabels gibt es zwar schon seit geraumer Zeit, aber für uns war das als praktischer Ansatz neu. Und da wir im Trio-Kontext in der Regel eher systematisch und strukturell an Projekte herangehen, wählten wir Tunes aus, versahen sie mit Katalognummern und Info-Textdateien, und stellten sie auf der Trio-Music-Homepage bzw. der Tilt-Recordings-Website zeitlich versetzt zum Download bereit. Wir haben also erst eine Art informelles Label mit rein interner Struktur ins Leben gerufen. Anfang 2006 wollten wir zunehmend auch andere Producer damit unterstützen. Also schufen wir einen weitergehenden konzeptionellen Rahmen, bauten eine kleine Website und erhoben T-FREE zum Netlabel. Seitdem veröffentlichen wir in etwa zweiwöchigen Abständen Tunes aus aller Herren Länder, vom Style her auch zwischen minimalem Techno-DNB und Neurofunk, also analog zu Tilt-Recordings, nur weiter gefasst und mit Aussreissern.
Wird es Tilt-Recordings auch irgendwann in digitaler Form gegen Bezahlung geben?
Ja, ist bereits in Arbeit (Trackitdown, Juno etc). Einen Teil der Releases kann man schon auf ITunes und Beatport käuflich erwerben, natürlich auch auf der Label-Homepage.
Wie steht Tilt-Recordings/T-FREE zur GEMA und zu Creative Common?
Wir lehnen die GEMA als Idee, Konzept und Organisation rundheraus ab. Deren Modelle von Copyright und "Künstlerschutz" sind völlig veraltet und für DJ-Musik abseits des Mainstream völlig ungeeignet. Wenn z.B. DJs ihre Mixes ins Internet stellen, wird das von der GEMA als "unlizensiertes zur Verfügung stellen von Musikstücken" angesehen, quasi gleichbedeutend mit "Raubkopieren". Das ist unseres Erachtens ein ganz schlechter Witz und sogar schädlich für die Szene, denn tatsächlich bedeutet es ja Promotion, wenn Tunes gespielt werden, zumindest im Drum & Bass Kontext. Dass dadurch Verkaufszahlen sinken würden, wie die GEMA argumentiert, ist glatte Volksverarsche und die Umkehrung der Fakten. Aufgrund ihrer Strukturen ist die GEMA als Organisation nicht zu grundlegenden Veränderungen fähig, also müsste man sie theoretisch abschaffen (was natürlich so einfach nicht möglich ist). Wir leisten also unseren Beitrag zur Veränderung der Situation, indem wir den global frei verfügbaren Pool GEMA-freier Tunes vergößern (mit Vinyl und mp3) und dadurch versuchen, die Emanzipation der Musik von überkommenen, erzkapitalistischen Copyright-Bindungen voranzutreiben und zu unterstützen. Das Creative-Common-Modell ist dafür bestens geeignet, weil es (im Gegensatz zum GEMA-Modell) Tunes rechtlich vor Missbrauch schützt, dabei aber das Abspielen und Weitergeben nicht verbietet.
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